Einige von euch wissen es,  aber bisher bin ich nicht großartig darauf eingegangen. Mir war wichtig, dass ihr erstmal andere Dinge erfahrt, aber jetzt fühlt es sich richtig an euch an einem ganz besonderen Projekt in meinem Leben teilhaben zu lassen. Ich liege in den letzten Zügen meiner Doktorarbeit in der Kulturwissenschaft. Warum ich euch das jetzt erzähle? Nun, diese Arbeit ist nicht einfach irgendwann ein Buch, das um die 300 Seiten umfassen wird. Es ist bei Abgabe 6 Jahre lang Teil meines Lebens gewesen. Mein Wille, dieses Projekt anzufangen, weiterzuführen (auch wenn mir manches Mal danach war alles in die Tonne zu treten) und jetzt zu einem guten Ende zu führen, hat mich sehr geprägt. Dabei kam mir neulich ein Gedanke, den ich immer mal wieder hatte:

Lebe ich das Projekt oder halte ich es durch?

Jeder, der mal in irgendeiner Form ein Projekt angefangen hat, weiß, dass es dabei Phasen gibt, in denen man keine richtige Lust mehr hat. Oder das Ganze geht einem so RICHTIG auf den Senkel! Dieses Projekt muss keine Doktorarbeit sein. Eine Wanderung kann dich genauso herausfordern wie jede andere längere Zeitspanne in der du etwas tust, dass dich aus deinen Komfortzonen katapultiert. Das kann sogar dein Job sein, der dich täglich auf diese Weise fordert. Dabei kann es passieren, und mir ist es definitiv ein paar Mal passiert, dass wir in eine innere Erstarrung geraten. Eine Haltung, die viel Verbissenheit in sich trägt: „Ich packe das – um jeden Preis!“ „Ich halte das durch!“ Aber was passiert da eigentlich?

Ich habe an mir beobachtet, dass in solchen Phasen aus einem Projekt, das ich mal sehr lieb gewonnen hatte (sonst hätte ich es ja nicht begonnen) so etwas wie ein Gegner geworden ist. In mir entstand das Bild von etwas, das ich gegen alle Widerstände und gegen alle negativen Stimmen in meinem Kopf, „durch-halten“ musste. Streckenweise hatte ich den Eindruck, ich hätte einen Laster in Gang gesetzt, der jetzt entgegen meinem Willen in eine andere Richtung steuert und ich stünde als kleines Menschlein vor der Kühlerhaube und versuchte verzweifelt dieses riesige Gefährt durch entgegen stemmen wieder auf Spur zu bringen. Was passierte? Ihr habt’s bestimmt erraten. Richtig, mir ging die Puste aus!

Ein echter Kampf – im Inneren

Ich hatte also keine Luft mehr, dieser riesige Laster wollte sich nicht bewegen lassen und so langsam schlich sich die Sinnfrage immer öfter in meinen Kopf. Wofür mache ich das eigentlich? Je öfter diese Frage kam, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich den Kampf in Wahrheit nicht gegen diesen Projekt-Laster führte, sondern gegen mich selbst. Irgendwas in mir blockierte völlig, war regelrecht bockig und konnte sich nicht vorstellen, dass ich dieses Projekt zu einem guten Ende führen würde. Wann genau der Zeitpunkt kam, an dem ich mich erneut für das Projekt entschied, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Mit Sicherheit auch deshalb, weil ich mich immer wieder aufs Neue für meine eigene Arbeit entscheiden musste. Schlussendlich war es aber genau das, was meine innere Bremse gelöst hat:

Das bewusste Entscheiden für mich, für diese Arbeit und die Beantwortung meiner eigenen Sinnfrage. 

Mir ist bewusst geworden, dass ich die feste Vorstellung hatte, dass, wenn ich schon so ein großes Projekt verfolge, nichts anderes möglich ist. Ich hatte mich dafür entschieden zu glauben, dass ich erst dieses Buch fertig stellen müsste, bevor ich andere Interessen ausleben, weitere (berufliche) Möglichkeiten entdecken, weitere Chancen nutzen könnte. Damit erreicht hatte ich nur, dass ich mir einen Wahnsinnsdruck machte und immer schneller fertig sein wollte, um endlich fertig zu werden. Ich hatte mein Leben auf „Pause“ geschaltet. 

Gott sei Dank geht das nie lange! Sobald ich den Blick von dem lösen konnte, was ich so unbedingt wollte, kam noch viel mehr in mein Leben gepurzelt. u.a. mein Hund Cody, der mich seither auf weitere spannende innere Reisen schickt. Ich fing vorsichtig an mich aus einer Starre zu lösen und kam wieder in Bewegung. Ich fing wieder an, das Projekt zu leben.

Und das vorläufige Ergebnis seht ihr heute vor euch: Diese Website, dieser Blog, meine Tätigkeit als Beraterin und Coach zu arbeiten – all‘ das sind Facetten, die ich ganz bewusst in mein Leben geholt habe und die ich vorher weggedrückt hatte. Jetzt sind sie keine Ablenkung, wie ich befürchtet hatte, sondern wichtige Facetten, um meine Arbeit mit Freude zu Ende zu schreiben.

Was ich daraus gelernt habe?

Es ist gut Ziele zu haben. Es ist gut dir eine Vision zu erschaffen, die du ansteuerst. Sie hilft dir auf deinem Weg zu bleiben. Aber lass nicht zu, dass du dich selbst auf Schienen stellst, die dich auf Teufel komm raus in dieser Spur halten. Du kannst jederzeit Weichen stellen und abbiegen.

Bei all‘ den Plänen, die wir so tagtäglich machen, gibt es einen Aspekt, der so viel wichtiger ist: das „Jetzt“! Nur jetzt können wir Entscheidungen treffen, nur jetzt können wir uns entfalten, nur jetzt können wir leben. Alles andere ist Zukunftsmusik.

Ihr wollt eure Ziele mit Sicherheit erreichen. Aber es gibt unterwegs noch so viel mehr zu sehen! Und wisst ihr was? Seit ich mein eigenes Projekt wieder lebe und mich jeden Tag bewusst dafür entscheide, stehe ich nicht mehr vor dem Laster und versuche ihn in eine Richtung zu drücken.

Ich sitze am Steuer und kann nebenbei sogar mal die Aussicht genießen. 

Alles Liebe,

Eure Wiebke